Die Heuneburg – ein Machtzentrum der frühen Kelten

Bei der Fahrt durch das obere Donautal fällt dem aufmerksamen Beobachter zwischen Sigmaringen und Riedlingen auf der Höhe von Herbertingen eine weiße Mauer ins Auge, die sich im Norden über dem Tal erhebt. Vor 2600 Jahren stand auf diesem Heuneburg genannten Geländesporn ein bedeutendes frühkeltisches Machtzentrum. Heute sind ein Teil der Befestigungsmauer und einige Gebäude rekonstruiert und können im archäologischen Freilichtmuseums Heuneburg besichtigt werden, das in den nächsten Jahren zu einer Keltenerlebniswelt ausgebaut werden soll.


Das etwa 3 Hektar große Plateau der Heuneburg wurde um 620 v. Chr. befestigt und entwickelte sich in den nachfolgenden Jahrzehnten zu einem der wichtigsten Macht- und Wirtschaftszentren nördlich der Alpen. Ausschlaggebend für die Wahl des Standortes war die geographisch günstige Lage oberhalb der Donau, einer der wichtigsten ost-west-verlaufenden Verkehrsadern in der damaligen Zeit. Sehr wahrscheinlich war die junge Donau etwa ab hier mit Booten und Flößen ganzjährig befahrbar. Die archäologischen Funde von der Heuneburg belegen zudem, dass auch Kontakte in den Norden und in den mediterranen Süden bestanden haben. Vor diesem Hintergrund wird verständlich, dass an dieser Stelle um 600 v. Chr. eines der bedeutendsten frühkeltischen Zentren nördlich der Alpen entstand. Der dicht und regelmäßig bebaute Burgberg war zu dieser Zeit mit einer aus dem Mittelmeerraum inspirierten Architektur in Form einer Mauer aus luftgetrockneten Lehmziegeln und mehreren bastionsartig vorspringenden Türmen effektiv befestigt und thronte als Machtdemonstration ersten Ranges auch weithin sichtbar über dem Donautal. An diese Akropolis schloss sich westlich die ca. 1,5 ha große Vorburg an, die mit Graben, Wall, Palisade und einem monumentalen Tor ebenfalls repräsentativ geschützt war. Akropolis und Vorburg bildeten jedoch lediglich den Kernbereich, dem in der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts. v. Chr. westlich die über 100 ha große Außensiedlung vorgelagert war, die man durch Wall-Graben-Systeme befestigte und in Bezirke untergliederte. Schätzungsweise gab es zu dieser Zeit zwischen 4000 und 5000 Einwohner auf dem Burgberg, in der Vorburg und in der Außensiedlung.

Um 530 v. Chr. führte ein Brandereignis zu großen Veränderungen an der Heuneburg. Die teilweise zerstörte Lehmziegelmauer wurde durch eine in traditioneller Technik ausgeführte Mauer aus Holz, Steinen und Erde ersetzt. Auch die Siedlungsstrukturen auf dem Burgberg und in der Vorburg wandelten sich grundlegend. Während auf der Oberburg gehöftartige, voneinander abgegrenzte Anwesen mit teilweise großen Repräsentationsbauten entstanden, war nun das Vorburgareal sehr dicht besiedelt. Diese Veränderungen dürften jedoch nicht allein auf das Brandereignis zurückzuführen sein, denn etwa zeitgleich kam es zur Aufgabe der riesigen Außensiedlung der Heuneburg, auf deren Ruinen gegenüber dem Tor zur Vorburg vier Großgrabhügel errichtet wurden. Die Ausgrabungsergebnisse sprechen dafür, dass Teile der Elite ihren Wohnsitz aus dem Bereich der Außensiedlung auf die Akropolis verlagerten und die dort ursprünglich ansässigen Bewohner, darunter viele Handwerker, in die Vorburg verdrängten. In dieser Form existierte die Heuneburg bis 450 v. Chr. weiter und wurde dann nach einem Brand verlassen. Ihren Zenit als beherrschendes Zentrum nördlich der Alpen dürfte sie jedoch um 530 v. Chr. eingebüßt und an andere aufstrebende Machtzentren abgegeben haben.
 

Lit: Krausse et al. 2016a; Krausse et al. 2017a.